Aktionstage Psychische Gesundheit: Podiumsgespräch zu ADHS im Erwachsenenalter

Grosses Interesse, bewegende Geschichten und wertvolle Erkenntnisse: Das Podiumsgespräch zu ADHS im Erwachsenenalter im Rahmen der Aktionstage Psychische Gesundheit stiess auf starke Resonanz. Über 220 Gäste folgten der Einladung ins Rialto Basel.

Ein Abend voller Offenheit und Expertise
Nach der Begrüssung durch René Camastral, Teamleiter Integration der IV-Stelle Basel-Stadt (ivbs), führte Moderatorin Caroline Doka souverän und einfühlsam durch den Abend. Das Podium vereinte medizinisches Fachwissen, Berufsalltag aus dem Case Management und persönliche Erfahrungen: Dr. med. Jeannine Häuptle, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit Spezialgebiet ADHS bei Erwachsenen, vermittelte fundiertes Wissen. Anja Imobersteg, Case Managerin der ivbs, zeigte auf, wie frühe Unterstützung und gezielte Begleitung im Alltag und Berufsleben wirksam entlasten können. Die beiden Betroffenen Sabrina Boccia und Thomas Meyer teilten offen ihre Wege mit einer späten ADHS-Diagnose.

ADHS: Mehr als nur Konzentrationsschwierigkeiten
Die Fachärztin stellte zu Beginn klar, dass ADHS keine Krankheit, sondern eine neurobiologische Normvariante sei. Sie erläuterte, dass ADHS weit über die bekannten Kernsymptome wie Aufmerksamkeitssteuerung, Hyperaktivität und Impulsivität hinausgeht. Es betrifft das gesamte Nervensystem und kann körperliche Symptome auslösen.

Die Psychiaterin präsentierte aktuelle Forschungsergebnisse: Die Rolle von Hormonen (vor allem bei Frauen), eine erhöhte Hypermobilität bei Betroffenen, ein erhöhtes Risiko für Übergewicht sowie Zusammenhänge mit Suchterkrankungen. Laut aktuellen Studien liegt die genetische Komponente bei bis zu 80 Prozent.

Warum frühe Abklärung wichtig ist: Nach Aussage der Expertin können Diagnose und Behandlung das Risiko für Begleiterkrankungen wie Depressionen und Suchterkrankungen deutlich reduzieren. Leidensdruck sei das entscheidende Kriterium. Wer in verschiedenen Lebensbereichen unter den Symptomen leide, solle eine professionelle Abklärung in Betracht ziehen.

Persönliche Geschichten: Vom Zickzack-Weg zur Akzeptanz
Sabrina Boccia erhielt ihre Diagnose mit 20 Jahren nach einem langen Weg voller Umwege in der Ausbildung. Für sie war die Diagnose eine grosse Erleichterung, weil plötzlich so viele Puzzleteile einen Sinn ergaben. Sie betonte die Wichtigkeit von emotionaler Unterstützung und professionellem Coaching.

Thomas Mayer bekam seine Diagnose erst mit Ende 50. Er beschrieb eindrücklich, dass der Weg zwischen zwei Punkten für ihn selten eine gerade Linie sei. Diese Metapher brachte auf den Punkt, was viele Betroffene erleben: Das Leben mit ADHS verläuft oft im Zickzack, voller Umwege und Kurven statt geradlinig von A nach B.

Beide betonten, wie anstrengend der Alltag sein kann, wenn sich Dinge selten linear entwickeln. Die Idee von ADHS als Superkraft wurde differenziert diskutiert: Während Potenziale wie vernetztes Denken vorhanden sind, erschweren die alltäglichen Herausforderungen oft den Zugang zu diesen Stärken.

Strategien für den Alltag
Konkrete Bewältigungsstrategien wurden thematisiert: Strukturierung und Routinen im Alltag helfen. Selbstfürsorge durch Sport, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf spielen eine zentrale Rolle. Bei Überforderung könne eine örtliche Veränderung helfen, etwa ein Spaziergang, um aus dem ADHS-Muster herauszukommen. Offene Kommunikation am Arbeitsplatz und der Einbezug von Partner und Familie sind wichtig, denn ADHS betrifft immer auch das Umfeld.

Unterstützung durch die ivbs
Je früher der Kontakt zur IV, desto wirksamer die Hilfe. Eine erste Meldung ist noch keine offizielle Anmeldung, sondern ermöglicht ein unverbindliches Erstgespräch zur Klärung des Unterstützungsbedarfs.

Der grosse Vorteil: Die ivbs hat Zugang zu einem spezialisierten Unterstützungsnetzwerk mit externen Coaches, die auf ADHS spezialisiert sind. Angeboten werden unter anderem Jobcoachings zum Erhalt des Arbeitsplatzes, Bewerbungscoaching oder Coaching bei der Unterstützung in der Stellensuche sowie Berufsberatung. Das Ziel: Arbeitsplatzprobleme präventiv entschärfen oder Arbeitsplatzverluste verhindern.

Was alle Podiumsgäste mitgaben
Die Podiumsgäste appellierten an Betroffene, den eigenen Leidensdruck ernst zu nehmen, nicht zu streng mit sich selbst zu sein und sich Unterstützung zu holen. Es brauche Mut, aber es lohne sich.

An das Umfeld ging der Appell, sich zu informieren und konkrete Unterstützung anzubieten statt zu urteilen. Wichtig sei es, zu fragen, was die betroffene Person brauche, anstatt zu fragen, warum etwas nicht funktioniere.

10 Jahre Aktionstage Psychische Gesundheit
Der Anlass fand im Rahmen der Aktionstage Psychische Gesundheit Basel-Stadt statt, die ihr 10-jähriges Jubiläum feiern. Die ivbs gratuliert dem Gesundheitsdepartement herzlich: Ein Jahrzehnt wichtiger Aufklärungsarbeit für mehr Offenheit im Umgang mit psychischer Gesundheit.

Fazit
Der Abend zeigte: ADHS im Erwachsenenalter ist ein relevantes Thema, das viele Menschen betrifft. Mit früher Unterstützung, den richtigen Strategien und einem verständnisvollen Umfeld ist ein selbstbestimmtes (Berufs-)Leben möglich.

Kontakt und Beratung
IV-Stelle Basel-Stadt
061 225 24 10

Weitere Informationen zu ADHS:
▸ ELPOS: www.elpos.ch
▸ ADHS 20+: www.adhs20plus.ch
▸ UPK Basel: www.upk.ch